Unterricht in Stolberg: «Wir sind ausgereizt»
Stolberg. Ein Brandbrief von Schulministerin Ute Schäfer (SPD) versetzte in
den vergangenen Tagen die Gemüter in helle Aufregung.
Darin hieß es unter anderem, Lehrer in NRW sollten vorübergehend bezahlte
Überstunden leisten, um krankheitsbedingte Ausfälle von Lehrern aufzufangen.
Da aufgrund des Lehrermangels ohnehin an vielen Schulen die
Belastbarkeitsgrenze der Lehrer erreicht ist, werden für das zweite
Schulhalbjahr landesweit erhebliche Unterrichtsausfälle prognostiziert.
Dass es deutschen Schulen an Lehrern mangelt, ist schon lange nichts Neues
mehr. Große Aufregung herrscht jedoch derzeit, da der Lehrerverband VBE und
der Philologen-Verband Aachen erhöhten Unterrichtsausfall für das zweite
Schulhalbjahr befürchten.
Stolberger Schulen sehen dem im Vergleich zu Aachener Lehranstalten relativ
gelassen entgegen. Nichtsdestotrotz bewegen auch sie sich an der
Belastbarkeitsgrenze der Lehrer.
«Wir haben Glück gehabt», da sind sich Burghart Klein, Schulleiter des
Ritzefeld-Gymnasium, Walter Clahsen, Rektor der Propst-Grüber-Schule, und
Klaus Pelzer, Schulleiter der Realschule Mausbach, einig.
Doch wenn es wider Erwarten zu einem größeren Ausfall von Lehrern etwa bei
längerfristiger Erkrankung oder wegen Mutterschutzes kommen sollte, werden
Engpässe nicht zu vermeiden sein.
Hintergrund ist die Kürzung des Programms «Geld statt Stellen» von 130 auf
90 Millionen Euro, mit Hilfe dessen Lehrer-Vertretungen finanziert werden.
Nach Dezember eingereichte Anträge auf Vertretungsstellen wurden laut
Aussage von Schulleitern zurückgewiesen. Zusätzlich wurden die Mittel für
die Anschlussbeschäftigung von rund 2000 Referendaren gestrichen.
Innerhalb ihrer zweijährigen Referendariatszeit müssen angehende Lehrer im
zweiten und dritten Schulhalbjahr unterrichten. Das heißt, die zum 1.
Februar neu eingestellten Referendare dürfen erst ab dem nächsten Schuljahr
selbstständig Unterricht erteilen.
In der Regel werden sie dann für neun Stunden bedarfsdeckenden Unterricht
eingesetzt. «Die Referendare finanzieren somit ihre Ausbildung selbst, da
sie Lehrkräfte ersetzen», erklärt Klein. Da bislang jedoch an den einzelnen
Schulen nur alle zwei Jahre neue Lehramtsanwärter eingestellt wurden,
entstanden Engpässe in der Abdeckung der zu leistenden Unterrichtsstunden.
Künftig kann dies vermieden werden, da jährlich neue Referendare eingestellt
werden können.
«Insgesamt ist die Situation bedrohlich. Bei uns jedoch nicht, da wir
rechtzeitig die Anträge gestellt haben», so Stefanie Luczak, Schulleiterin
vom Goethe-Gymnasium.
Burghart Klein berichtet: «Wir gehören nicht zu den Schulen, die keine
Referendare anstellen konnten. Wir haben früh genug den Antrag gestellt und
die Verträge mit den Referendaren abgeschlossen.»
Doch damit ist das Problem nicht aus dem Weg geräumt. «Es gibt kaum
Gymnasien in Aachen, die genügend Lehrer haben. Auch wir haben weniger
Lehrer, als wir haben sollten», bedauert Klein. Der Mangel an Lehrern
bedürfe einer großen Verwaltungsarbeit und erfordere hohen Einsatz des
Lehrerkollegiums.
Aachener Zeitung Online, 14.02.2003