Pilgerfahrt nach Udine und zurück
Von Ilka Schischke und Natalie Mengis
8. Mai 2002
6.00 Uhr
Nachdem sich alle gezwungenermaßen aus dem Bett gequält hatten, fahren wir endlich los mit zwei nicht ganz
so kompetenten Busfahrern. Das Wetter was an diesem Tag sehr, sehr schön (in Deutschland), aber genau an
diesem Tag saßen wir 14 Stunden lang in einem total unterkühlten Bus mit einem Busfahrer, der nicht in der
Lage war, die Klimaanlage auszuschalten.
20.00 Uhr
Nach ein paar Rasten […] waren wir dann endlich da und der ganze Mädchenverein war total außer sich, weil
der allseits heiß begehrte Alberto draußen im Regen wartete. Nachdem sein Foto nachmittags im Bus
herumgereicht worden war, hatte man sich kurzfristig entschlossen, etwas Make-up aufzulegen. Alberto war da
aber ganz anders, eher verschlossen und zurückhaltend - im Gegensatz zu einigen anderen. […] Der Tag endete
mit dem original italienischen (so viele Kalorien, wie es nur geht) Abendessen bei den gut ausgewählten
Gastfamilien (bis auf eine kleine Ausnahme).
9. Mai 2002
Nix war mit Urlaub oder Ausschlafen, denn Italiener gehen gerne spät ins Bett und stehen gerne sehr früh wieder
auf. Auch wenn wir uns alle eigentlich sehr wohl bei den Gastfamilien fühlten, waren wir heilfroh, einander in
der Schule wiederzusehen. Nachdem wir uns in den jeweiligen Klassen köstlich amüsiert hatten, trafen wir uns
alle in der Aula, wo wir erst mal eine volle Stunde saßen und von unseren Gastgebern vorgestellt wurden. Nun
ging es endlich los in die Stadt. Ganz nebenbei erwähnt regnete es schon seit dem Vorabend und es machte auch
nicht den Anschein, als würde es bald aufhören. Die Stadt war wirklich sehr schön, mit Stolberg nicht wirklich
zu vergleichen, auch wenn das das Ziel der Reise war. Endlich kam der Teil des Tages, auf den wir alle gewartet
hatten: Lecker essen! Zu Pesto und anderen Knoblauchpasten gab es Kräcker und Polenta, sehr leckeres
italienisches Essen und für die Jugendlichen Grapefruit- und Apfelsaft, aber manche von uns wagten es auch,
den Lehrern ein Schlückchen Sekt zu stibitzen. Nach diesen kulinarischen Köstlichkeiten ging es dann wieder an
die Arbeit. Irgendwie nahmen die deutschen Schüler das Wort "Arbeit" aber nicht ganz so ernst wie ihre
italienischen Kameraden (na ja, Ausnahmen bestätigen ja bekanntlich die Regel) und wir waren sehr schnell mit
der Gruppenarbeit fertig.
[…] Nach einer kurzen Breaktime ging es dann um 16 Uhr in die Sporthalle, wo auf uns das legendäre
Volleyballmatch wartete. Die Italiener erwiesen sich als exzellente Sportler, gegen die wir nur abloosen konnten
(haha, aber das haben wir euch bei der WM heimgezahlt). Nach dieser Blamage waren wir heilfroh, als das
Match endlich zu Ende war. Um 18 Uhr folgte die schmerzliche Trennung, aber manche von uns blieben doch
zusammen, das hing immer von den italienischen Connections ab. Für manche ging es nach Hause, andere
blieben wiederum in der Stadt und machten es sich nach einer kleinen Shoppingtour in einem Eiscafé gemütlich,
wo man dann lernte, sich auf Italienisch ein Eis zu bestellen.
10. Mai 2002
Juhu, Venedig, wir kommen! Die Zugfahrt war endlos lang, aber wenigstens war das Wetter etwas besser
geworden und die Sonne zeigte sich endlich. Venedig ist eine sehr große und schöne Stadt, aber bestimmt nichts
für geruchsempfindliche Menschen, denn an manchen Orten waren sehr viele Tauben und sehr viel morsches
Holz und sehr viel stinkendes Wasser. Die Menschenmassen waren unbeschreiblich, genauso wie die Preise von
Eis und Co. Endlich an der Hauptsehenswürdgkeit, der Piazza San Marco, angekommen, machte sich bei
manchen die Taubenphobie breit […] Als wir uns dann in Gruppen aufteilen und die Stadt auf eigene Faust
erkunden durften, zogen es die Italiener vor, im überfüllten McDonalds Mittag zu essen, während die Deutschen
alleine die Stadt erkundeten. […] Bei einer Schifffahrt wurde dann Venedigs Wasserseite erkundet, die uns allen
sehr gut gefiel. Aber nicht allen von uns ging es so gut in der Stadt. Durch gezwungenermaßen durchgeführte
Referate waren nun alle darüber informiert worden, dass Venedig bald untergeht, was zu gelegentlichen
Panikattacken führte. Doch das komplette Grauen drohte uns erst noch: Auf der Heimreise im überfüllten Zug
mussten wir zu unserem Bedauern feststellen, dass der von uns angeschmachtete Alberto, der Traum unserer
schlaflosen Nächte, der gut gebauten Francesca hoffnungslos verfallen war. Mit diesem Gedanken weinten wir
uns (jedenfalls die Mädchen) nach diesem anstrengenden Tag in den Schlaf.
11. Mai 2002
[…] Es folgte die wahrscheinlich lustigste Stunde des Italienaufenthalts - der Unterricht. Alle tratschten,
frühstückten oder spielten mit ihren Handys herum, was nicht unbedingt im Unterricht vorgesehen war. Nach
erneutem Lunch, einer etwas misslungenen Stadtrallye und wiederholter Arbeit am "Udine-Stolberg-Kalender"
war auch dieser Tag arbeitstechnisch abgeschlossen. Von nun an hing es von den Italienern ab, was sie mit ihren
Gästen unternahmen. Klassikkonzerte oder Pfadfindertreffen, das war ganz ihnen überlassen.
12. Mai 2002
Nach einem tränenreichen Abschied […] ging es wieder in Richtung Heimat, in die wir alle noch nicht wirklich
zurückwollten. Die Rückfahrt war eigentlich genauso kalt und nervig wie die Hinfahrt, und zu allem Überfluss
hielten es manche zu unchristlicher Stunde auch noch für nötig, ihre Gesangskünste unter Beweis zu stellen. […]
Noch dazu kam, dass der Bus gegen 0.00 Uhr auch noch spritlos mitten auf der Autobahn stehenblieb. Erklärung
des Busfahrers: "Ja, da ging so ein roten Lämpchen an und dann isser stehengeblieben. "Doch die Rettung nahte.
Immer da, immer nah - die gelben Engel. Nach der Rettungsaktion des ADAC kamen wir eine Stunde später
entnervt, müde und teilweise erkältet zu Hause an.
12. September 2002
Die nicht ganz so euphorisch erwartete Ankunft der Italiener in Stolberg um 21 Uhr verlief eigentlich ganz kurz
ab. Jeder sagte mal kurz "Ciao" und schon waren alle wieder weg zum Abendessen bei der Gastfamilie.
13. September 2002
Nachdem die Italiener in dem kleinen muffiges Erdkunderaum unserer Schule mit Gesang der Klasse 7d
empfangen worden waren, ging es direkt los zu einer furchtbar lange Expedition in die ach so interessante Stadt
Stolbergs. Nach vier Stunden Fußmarsch […] kamen wir wieder an der Schule angekrochen, wo gerade der
Gong zur Pause läutete. Unsere Gastschüler wurden von den anderen nicht beteiligten Schülern begafft wie eine
seltene Spezies im Zoo. […] Danach ging es erst mal in die Klassenräume, wo die Italiener unseren Unterricht
bestauen konnten. Durch Frau Triebs, die uns ermöglichte, die Meinungen der Italiener über uns und unser Land
einzuholen, erfuhren wir zu unserem eigenen Schrecken, dass diese annahmen, wir würden den ganzen Tag
nichts anderes tun als Würstel und Kraut essen und dabei ein Bierchen trinken. Nachdem wir diesen Schock
verdaut hatten und auch die restliche Projektarbeit hinter uns gebracht hatten, gab es erst mal typisch deutsche
Kartoffelsuppe mit "Würstel" und Brot gesponsort von Frau Mengis und Frau Frenken. Aber nix da mit großem
Entspannen, denn es ging gleich weiter zum Sport, an den wir aus unserer Zeit in Udine noch vage und nicht
gerade angenehme Erinnerungen hatten. Doch so schlecht, wie alle annahmen, lief es dann gar nicht, und man
konnte wählen zwischen Basketball mit der italienischen Sportlehrerin, die weder Deutsch noch Englisch konnte,
einfachem Fußball oder aber einfach nur bloßes Rumsitzen und die Getränke für die sportlich Aktiven aussaufen.
[…] Nach den drei Stunden Sport ging es dann erst mal nach Hause und ein paar von uns trafen sich am Abend
wieder in der selbstorganisierten, etwas danebengegangenen Disco. […]
14. September 2002
Der Ausflug nach Köln und später nach Bonn verlief bis zu einem bestimmten Maß ohne Komplikationen. […]
Ein paar von und Deutschen gelang es, dem römisch-germanischen Museum zu entfliehen, am Haus der
Geschichte in Bonn allerdings fanden wir dann doch Gefallen, besonders an der Jukebox in der 70er-Jahre-Ecke.
[…]
15. September 2002
Dieser Tag diente uns zur freien Gestaltung. Manche trafen sich in Aachen am Dreiländerpunkt, andere im Dom
und wiederum andere trafen sich dann zum Mittagessen im Aachener "Himmel & Hölle". Bei der mal wieder
selbstorganisierten Kneipentour am Abend war die große Gruppe von Schülern nach einiger Zeit schwer unter
Kontrolle zu halten ("Okay, now shut up! What would you like to drink?") Einige waren nur schwer davon zu
überzeugen, der "zu berauschenden Cola" mal ein Glas Wasser vorzuziehen.
16. September 2002
Bei der Abreise um 10 Uhr waren nun manche sehr dankbar für unsere herausragende Gastfreundschaft und
konnten nur schweren Herzens in den Bus Richtung Heimat einsteigen. […] Wir konnten sie auch nur schwer
wieder ziehen lassen, es war ja schließlich eine sehr schöne Zeit mit ihnen, aber im Endeffekt waren wir doch
froh, dass wir wieder unsere Ruhe und Privatsphäre wieder hatten. Wir danken Frau Luczak für ihr Verständnis
und ihre Beurlaubung von der 5. und 6. Stunde […] und wir danken natürlich auch Frau Camphausen, dass sie
uns all das ermöglicht hat. Wir hatten eine schöne Zeit.
Goethes Faust 1/2003