Verein der Ehemaligen und
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Quelle: Goethes Faust

Abitur - Und was dann?

Ein Bericht von Eva Halstenberg (A 1997)

Wie oft hat man diesen allseits bekannten Ausspruch schon gehört oder gelesen. Meist mit dem Erfolg, daß man doch keine Antwort auf die Frage bekommt, die sich unweigerlich mit dem Beginn der 13 immer mehr ihren Weg vom Unterbewußtsein bis hin zum Bewußtsein arbeitet. Oft locken Angebote, die mit diesem Ausspruch auf sich aufmerksam machen wollen, mit Banklehren oder Ähnlichem. Aber ist es das, was man sich erträumt hat? Ganz so trocken soll es dann bitte doch nicht sein. Es gibt doch noch so viele andere Möglichkeiten. Und genau das ist das Problem. Woher soll man denn wissen, was man will? 13 Jahre hat man die Schulbank gedrückt, eine der schwerwiegendsten Entscheidungen, die man zu treffen hatte, war wohl, ob man nun Englisch LK oder doch lieber Deutsch LK belegen soll. Man kam einfach nicht in die Verlegenheit, sich zu fragen, was einem wirklich wichtig ist. Und auf einmal steht man da, hält das Abiturzeugnis in den Händen, und das, worauf man sich so lange gefreut hat, macht einem jetzt eher Angst als Freude. Insgeheim fängt man an , sich wieder nach dem Wecker zu sehnen, der einen morgens um sieben aus dem Bett schmeißt.

Man weiß so gar nicht, was man mit der ganzen Freizeit anfangen soll. Also beschließt man, sich doch am besten für einen Studiengang hier in Aachen einzuschreiben. Mit BWL kann man ja so falsch nicht liegen, oder? Und die Kurse hier in Aachen sollen ja auch die besten sein. "Warum in die Ferne schweifen, denn das Gute liegt so nah." Mit den Eltern kommt man im Grunde auch recht gut klar, warum also ausziehen und auf den Luxus der gewaschenen Wäsche verzichten? Geht man jedoch mit sich selbst ins Gebet, muß man unweigerlich feststellen, daß man sich aus Unbehagen vor dem Unbekannten möglichst schnell wieder in ein ähnliches geregeltes Verhältnis begeben hat. Aber ist es nicht reizvoll, darüber nachzudenken, welche Möglichkeiten einem offenstehen, gibt man die liebe Sicherheit einfach auf?

Ein Zitat, das ich in diesem Zusammenhang während meines Auslandsaufenthalts (aber davon später) zu hören bekam:, "You never know before you go."

Denn ist es nicht besser zu bereuen, daß man es getan hat, als zu bereuen, daß man es nicht getan hat?

Erfahrungen kann man nur machen, indem man handelt und nicht, indem man sich hinsetzt, das Für und Wider abwägt, um dann zu beschließen, es doch lieber nicht zu versuchen. Auch wenn man schlechte Erfahrungen macht, helfen sie einem, beim nächsten Mal anders zu handeln.

Vielleicht sollte ich an dieser Stelle erzählen, wie ich mich gefühlt habe, als ich vor zwei Jahren das Goethe-Gymnasium verlassen habe. Dazu muß ich sagen, daß ich mit Ausnahme weniger Fächer nie besonders gerne zur Schule gegangen bin. Die ganze Freizeit, die man hatte, war schon nicht zu verachten, aber Schule ???

Um so glücklicher war ich, als ich endlich mein Abschlußzeugnis in Händen hielt, auf das ich wohl 13 Jahre mehr oder weniger hingearbeitet habe (in meinem Fall wahrscheinlich eher weniger als mehr). Wie der König der Welt habe ich mich gefühlt. Leider mußte ich nur bald feststellen, daß sich anscheinend so gar keiner für mein Abitur zu interessieren schien, am Ende war ich schließlich auch nur eine von 10.000, die in diesem Jahr Abitur gemacht hatten. Irgendwie nichts besonderes, oder? Für andere nicht, aber für einen selbst. Weil man jetzt – vielleicht zum ersten Mal – die Möglichkeit hat, sein Leben selbst in die Hand zu nehmen. "Das Leben macht nur etwas aus uns, wenn wir etwas aus unserem Leben machen." Klingt ziemlich theoretisch, oder nicht?

Ich wußte zunächst auch nicht, wo ich ansetzen sollte. Interessen hatte ich viele, aber ob ich die gleich zu meinem Beruf machen wollte? Da kam mir meine angeborene Abenteuerlust und mein sehr ausgeprägtes Fernweh zu Gute. Wenn ich doch so gar nicht wußte, was ich wollte, warum dann nicht erst mal ausprobieren, ein Praktikum machen? Am besten ganz weit weg, da, wo alle Menschen auf dem Kopf gehen (HÄH??). Ja, genau: in Australien. Wobei ich hierbei einmal lobend meinen Onkel erwähnen muß, ohne dessen gutes Zureden ich diese Idee wohl auch nicht in die Tat umgesetzt hätte, denn so richtig begeistert waren meine Eltern nicht von dem Gedanken, mich auf der anderen Seite der Welt zu wissen. Und Angst vor dem, was da auf mich zukommen könnte, hatte ich auch. Probleme gab es schon im Vorhinein (z.B. die nebensächliche Tatsache, daß ich zunächst keine Aufenthaltserlaubnis bekam). Endlich kam der entscheidende Anruf: "Frau Halstenberg, ihr Visum ist eingetroffen. Nächste Woche können sie losfliegen." Da wurde mir dann doch etwas mulmig. Ob ich mich damit nicht etwas übernommen hatte? Soo weit weg?! Vielleicht wäre ich besser nach Frankreich geflogen, da ist man wenigstens in zwei Stunden zu Hause, wenn einen das große Heimweh packt, und nicht in zwei Tagen. Aber dann stand ich plötzlich am Flughafen. So richtig konnte ich immer noch nicht glauben, daß es jetzt wirklich losgehen sollte. Doch 24 Stunden später wurde ich schon das erste Mal für meinen Mut belohnt. Ein Sonnenaufgang über Australien aus dem Flugzeug heraus! Bei dem Gedanken daran läuft mir immer noch eine Gänsehaut über den Rücken. Und dann war auf einmal alles gut. Die Leute nett, das Wetter super (in Aachen regnete es bei 5°C, während ich mich bei 30 Grad in der Sonne aalte). Alles war so ganz anders, obwohl in Australien, man höre und staune, die Menschen auch in Autos zur Arbeit fahren und nicht etwa in Känguruhbeuteln befördert werden.

Verstanden habe ich zu Anfang kaum etwas. Hatte ich nicht sieben Jahre in der Schule Englisch gelernt? Mir kam es nicht so vor, denn leider hat der australische Slang so gar nichts mit dem guten alten Oxford English zu tun. Was zum Teufel ist mit "dunny" gemeint? Und woher soll man auch wissen, daß es sich bei "doona" um eine Bettdecke handelt und nicht um etwas Eßbares, wie ich zunächst irrtümlich mit dem Gedanken an Döner annahm. Doch mit der Zeit kam ich dahinter. Ich will jetzt nicht mit einem halbjährigen Tagebuch langweilen, das ich in dieser Zeit jedoch brav jeden Tag geführt habe, denn jeden Tag ist etwas neues Aufregendes passiert. Ich hatte das Gefühl, die Welt drehe sich viel zu schnell und es geschehe so viel Neues, daß ich erst mal ein Jahr schlafen müsse, um diese ganzen Eindrücke zu verarbeiten. Jedoch war zunächst an Schlaf nicht zu denken, d.h. nachdem ich den Jetlag überwunden hatte!

Allein schon der Gedanke, daß man gerade auf der anderen Seite der Welt umherspaziert, während zu Hause alle noch schlafen. Problematisch konnte es da schon mal mit dringenden Telefonanrufen nach Hause werden (es war natürlich auch nicht immer alles eitel Sonnenschein.) Mußte mein armer Vater wegen mir die halbe Nacht tröstenderweise am Telefon verbringen anstatt im Bett. Jedoch kamen Nächte wie diese nicht besonders häufig vor. Zu meiner Schande muß ich gestehen, daß ich den Gedanken an Deutschland fast völlig aus meinem Bewußtsein verdrängt hatte. Briefe von Freunden kamen mir vor, wie geschrieben aus einer anderen Welt. Unvorstellbar, daß ich selbst noch dort gelebt hatte, gerade einmal zwei Monate her.

Ich war aber auch zur besten Zeit, die man sich denken konnte, in Australien. Es war Hochsommer, und dies ist immer ein willkommener Anlaß für die sehr feierlustigen Australier, zahlreiche Festivals zu veranstalten und ausgedehnte Partys zu feiern. Natürlich genau das Richtige für mich!

Eines der schönsten Erlebnisse, an die ich mich erinnere, ist ,,Mardi Gras", das größte Schwulen- und Lesben-Festival der Welt. Fast habe ich mir gewünscht, selbst ein Mann und schwul zu sein, aber auch als ganz normales deutsches Mädchen hatte ich wahnsinnig viel Spaß. Sowieso ist es faszinierend, wie selbstverständlich Homosexualität in Sydney ist. So selbstverständlich, daß man die Selbstverständlichkeit schon gar nicht mehr erwähnen muß. Ich selbst habe später unter anderem mit einem Schwulenpärchen in einer WG gewohnt, was schon eine Erfahrung für sich war. Aber eine gute!

Toll anzuschauen sind vor allem die Transvestiten. Oft bekam ich abends den Mund schon gar nicht mehr zu vor lauter Staunen. Die "Rocky Horror Picture Show" ist nichts dagegen! Aber zum Glück gab es auch normale Männer dort, und den schönsten und nettesten habe ich mir nachher mit nach Europa gebracht.

Ich sollte nun auch zu dem etwas seriöseren Part meiner Reise übergehen, sonst hat es noch den Anschein, als ob ich meine Zeit in Australien nur mit Feiern und Strandleben verbracht hätte. Dem war nun wirklich nicht so. Nein, ich bin tapfer jeden Morgen um sechs Uhr aufgestanden, denn mein Weg zur Arbeit betrug ca. eine Stunde. Das Praktikum habe ich bei einer deutschen Zeitung gemacht, die für Deutsche in Australien gedruckt wird, aber auch für Deutsche in Deutschland, die sehr an Australien interessiert sind. Mein Team bestand aus ca. zehn bis zwölf Mitarbeitern, die irgendwann einmal den Sprung über den großen Teich gemacht haben, um ihr Leben auf der anderen Seite der Erde fortzuführen. Von ihnen wurde ich unwahrscheinlich herzlich aufgenommen und sofort als neue Kollegin akzeptiert. Auch wurde mir von Anfang an die Möglichkeit gegeben, selbst eigene Artikel zu verfassen, natürlich zunächst unter Anleitung erfahrener Mitarbeiter. Schließlich durfte ich sogar auf einer Extraseite der Zeitung, auf der oft interessante Reiseberichte und Ähnliches veröffentlicht wurden, über meinen einmonatigen Trip nach Queensland berichten.

Zusammen mit einer Freundin, die ich schon aus Deutschland kannte, packten wir im März die Rucksäcke und machten uns auf den Weg, das aufregende Backpacker-Leben nun einmal selbst zu erforschen. Abgesehen von qualvollen Nächten, die wir in Bussen verbrachten (Australien ist nun mal riesig!), habe ich auf diesem Trip Eindrücke gesammelt, die ich wohl Zeit meines Lebens nicht mehr vergessen werde. Ein dreitägiger Segeltrip z.B., in die Whitsundy-Islands, hat uns zu Korallenriffen und einsamen Stränden geführt, die eigentlich nur im Paradies existieren dürften. Ich meine, der Name "Whiteheaven Beach" sagt doch eigentlich schon fast alles, oder? Geschlafen haben wir an Deck des Bootes den Sternenhimmel als Bettdecke (alles andere wäre sowieso zu warm gewesen). Und der Tag wurde erst mal mit einem Kopfsprung ins Meer begonnen. Haie sind mir trotz ständiger Schreckensmeldungen in den Medien, die wohl mehr Sensationsmache als alles andere sind, nie begegnet, dafür aber Delphine. Ich hatte das Gefühl, ich sei in einer anderen Welt.

Leider mußten wir nach viel zu kurzer Zeit wieder unsere Rückreise antreten jedoch mit dem festen Vorsatz, beim nächsten Mal mindestens dreimal so viel Zeit mitzubringen.

Leider war auch bald darauf meine Rückreise nach Deutschland angesagt, was mich wirklich alles andere als fröhlich stimmte. Ich wurde von allen sehr herzlich verabschiedet, was mir meine Abreise nun nicht gerade erleichterte.

Wenn ich heute, ein, zwei Jahre nach meiner Rückkehr nach Aachen diese Zeilen schreibe, merke ich, was mir diese Zeit bedeutet und wieviel sie mir persönlich gebracht hat. Ich könnte meine Erlebnisse noch seitenweise schildern, denn es war einfach ein wahnsinniges Abenteuer, das ich um keinen Preis mehr missen möchte. Aber was soll ich lange erzählen? Am besten fahrt Ihr gleich selbst irgendwo hin und schaut es Euch an. Ihr werdet es ganz gewiß nicht bereuen!

Ich habe für mich auf jeden Fall fest beschlossen, daß ich nach Australien zurückkehren werde, und irgendwie wußte ich das schon, bevor ich überhaupt dort gelandet war.

Mittlerweile leiste ich mir meine eigenen 19 Quadratmeter in Aachen, und obwohl ich auf den Luxus der gewaschenen Wäsche verzichten muß, geht es mir doch recht gut dabei.

Wenn nun irgendeiner von Euch neugierig geworden ist, stehe ich natürlich für Fragen gerne zur Verfügung. Und ganz bestimmt werdet Ihr von mir dann nicht zu hören bekommen, erst mal in Aachen zu bleiben.

Schülerzeitung Goethes Faust 2. Ausgabe 1999



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